Mit einem Elektroflieger rund um die Wasserkuppe

von: Herbert Leykauf

Vorbemerkungen: Diesen Bericht habe ich vor allem unsere für unsere Modellflieger im Verein geschrieben. Man sieht sich ja in Corona-Zeiten nicht und ich dachte, es wäre vielleicht schön, wenn sie erfahren, wie sich bei den „Manntragenden“ ein kurzer Streckenflug abspielt.

Mein geplanter Fliegerurlaub in der Steiermark wurde wegen der Corona-Probleme unmöglich. Unser Discus stand ungenutzt in Heppenheim. Aber in Heppenheim war es für mich aus verschiedenen Gründen schwierig, ein Stärtchen zu machen. Blieb also die Suche nach einer Alternative. Und die war auf der Wasserkuppe schnell gefunden.

Nach einem kurzen Telefonat war ich wenige Tage später morgens um 9 beim Briefing in der Segelflugschule Wasserkuppe. Schulleiter Harald Jörges informierte professionell über die Procedures am Platz, das Wetter und besonders über die spärlichen Außenlandemöglichkeiten in der näheren Umgebung des Flugplatzes. Den obligatorischen Check absolvierte in ich einem Duo Discus XLT. Das Flugzeug ist eine Weiterentwicklung jenes Duos, den wir lange im Verein geflogen sind. Aber mit verlängertem Rumpf, geänderten Landklappen und einem „Turbo“-Triebwerk (ein kleiner Zweitakter mit 5-Blatt Klapppropeller) fliegt sich der neue Duo doch deutlich anders, als unsere frühere „LW“. Gewöhnungsbedürftig war auch die Hangauflandung am Osthang der Wasserkuppe.

Dann aber wartete ein Discus 2c FES auf mich. FES steht für Front Electric Sustainer. Der Flieger ist, die Zelle betreffend, nahezu identisch mit dem Discus in unserem Verein. Aber im Rumpfbug ist ein Elektromotor eingebaut, der eine Faltluftschraube antreibt. Die Propellerblätter liegen aerodynamisch günstig am Rumpfvorderteil an und klappen, wenn der Motor läuft, durch die Fliehkräfte auf und erzeugen so den erforderlichen Schub. Die Energie für den Antrieb steckt in zwei dicken Akkus, die etwa in der Rumpfmitte angebracht sind, ungefähr dort, wo in unserer DG 800 der Motor steckt. Für einen Eigenstart ist dieses System nicht ausgelegt, aber es soll richtig gut sein, um Außenlandungen und „Absaufer“ zu vermeiden.

Bild Quelle: Webseite Fliegerschule Wasserkuppe

Bild Quelle: Webseite Fliegerschule Wasserkuppe

Die Bedienung des Systems ist im Flughandbuch gut beschrieben, umfasst nur wenige Abschnitte und ist wirklich ganz einfach. Ich richte mich in dem Flieger ein. Pedale für das Seitenruder, ganz wichtig die richtige Position für die Rückenlehne, Rechner an, eigentlich kann es losgehen. Aber Harald Jörges kommt, zeigt mir nochmals genau die Bedienung des Elektromotors und gibt Tipps, wie man die Akkukapazität möglichst effizient einsetzt. Startcheck, Schleppmaschine rollt vor, Seil einklinken und los geht’s. Die Anfangsbeschleunigung hinter der Remorquer ist heftig, denn es geht auf der nach Osten gerichteten Piste bergab und wir haben noch dazu Rückenwind.  Unmittelbar nach dem Abheben schütteln uns die Wirbel im Lee der Wasserkuppe durch. Für eine gute Minute bin ich richtig am arbeiten, aber der Discus lässt sich gut steuern. Dann wird der Schlepp ruhiger und in 400 m über Grund wackelt die Remorquer und gibt das Zeichen zum Ausklinken. Eigentlich wollte ich ein wenig höher geschleppt werden, aber was solls.

Die Thermik ist schwach und zerrissen, der Aufwind nicht zu zentrieren. Neben mir versuchts auch eine Ka 2b vom Oldtimer Segelflugclub Wasserkuppe. Was ein Erlebnis für mich. Mit einem solchen Flieger habe ich 1960, vor 60 Jahren (!), meine ersten Thermikversuche gemacht. Aber wir schaffen es an dieser Stelle einfach nicht, höher zu kommen. Die Ka 2 dreht ab und landet. Ich habe dagegen das Glück, den Elektroschnirpser nutzen zu können. Also Hauptschalter ein, Drehzahlregler in Richtung 50%, die Propellerblätter klappen spontan aus und das Motörchen schnurrt artig los. Die anfangs gewählte Leistung reicht nur, um die Höhe zu halten. Also, Regler höher drehen und schon steigt der Discus FES mit rund 1,5 m/s. Das Ganze hört sich in etwa so an, wie ein großes Electro-Modell beim Start in Ober Ramstadt, und im Cockpit gibt es keine Vibrationen wie bei einem 2-Takter. Ich mache rund 400 m Höhe mit Motor, finde südwestlich des Weltenseglerhanges einen schönen Bart und steige ohne Motorhilfe schnell in die Nähe der Basis, die geschätzt in 2200 m NN liegt. Richtung Westen sehe ich eine schöne Wolkenstraße, sie zeigt direkt auf den Kaolinberg bei Flieden.

Die Navigation ist einfach und ich delfiniere in einem leichten Auf und Ab zu einem ersten frei gewählten Wendepunkt. Weil ich mit dem Flugzeug noch nicht wirklich vertraut bin und definitiv kein Außenlanderisiko eingehen möchte, drehe ich zurück Richtung Nord. Ich blicke auf Fulda herab und entdecke an Hängen einzelner Kuppen und Waldlichtungen große Flächen von Basaltgestein. Das erinnert an die Geologie, die die hohe Rhön vor über 200 Millionen Jahren geprägt hat. Damals gab es einzelne Vulkane und rund 500 so genannte Schlote, aus denen flüssige Magma aufstieg. Heute sind diese Stellen, wenn sie von der Sonne beschienen werden, beliebte Thermikquellen. Die nächste Wolkenaufreihung zeigt nach Norden Richtung Thüringer Wald. Die Cumuli stehen dicht an dicht und der Discus rennt in einem schnellen Delfin wieder hoch an die Basis. Zusätzlich schiebt der Rückenwind und so bin ich unerwartet schnell an der Hangkante. Der Thüringer Wald hat geologisch gesehen übrigens eine andere Entstehungsgeschichte als die hohe Rhön, aber ich spare mir hier die Details. Die Segelflieger aber wissen alle, dass man hier, neben der schwäbischen Alb und dem Fläming, eine der schnellsten Rennstrecken Deutschlands entlang fliegt.

 Das Flugzeug ist mit Motor und den Akkus rund 60 kg schwerer als der Discus unseres Vereins. Das merkt man beim kurbeln kaum, aber das Flugzeug beschleunigt gefühlsmäßig deutlich schneller und gleitet vor allem besser. Einfach schön!

Schräg links voraus sehe ich nach kurzer Zeit die Wartburg, im Norden Eisenach. Ich drehe nach rechts Richtung Osten. Der ganze Thüringer Wald „ist aufgereiht“; eine Wolke hinter der anderen und am östlichen Ende ahnt man Sonneberg und Coburg. Aber ich will nicht so weit weg und kurve am Inselsberg nach Süden. Vorbei an Schmalkalden (wenn ihr euch an den Geschichtsunterricht in der Schule erinnert, wisst ihr vielleicht noch, dass das Städtchen im 30jährigen Krieg eine wichtige Rolle gespielt hat). Ich habe vor, Richtung Ostheim zu fliegen, dort fliegt die Firma Binder die neuen EBs ein – derzeit die besten Segelflugzeuge der Welt, mit 29 Meter Spannweite. Aber dann werde ich im Funk gerufen; man fragt nach meiner Position.

Ich antworte, dann kurze Pause mit der Frage: „Fox Echo (für FE), nochmal Position bitte“. Dann kommt eine längere Pause. Später hat man mir gesagt, man sei überrascht gewesen, dass ich „so weit“ weg gewesen sei. Ich antworte und nach der nächsten Pause ruft mich Harald: „Äh, Herbert, könntest du langsam zurückkommen, es will noch einer den Discus fliegen!“ Na klar. Ich habe nur knapp 40 Kilometer nach Hause, kann 1600 Höhenmeter verbraten und bin weit über dem Gleitpfad. Mit anfangs 140 bis 160, später um die 180 km/h am Stau fliege ich zurück und bin nach rund einer viertel Stunde schon wieder am Platz. Als Ergänzung für unsere modellfliegenden Leser: Das ist nicht unbedingt ein komfortabler Endanflug, denn bei dieser Geschwindigkeit und der guten Thermik gibt es ganz ordentliche vertikale Beschleunigungen und man ist gut beraten, fest angeschnallt zu sein und keine losen Teile im Cockpit zu haben.  Aber es macht einfach verdammt viel Spaß.

Ich bin noch viel zu hoch, als ich über der Wasserkuppe ankomme und kreise mit ausgefahrenen Bremsklappen hinunter auf Positionshöhe. Dann Landemeldung und: „Fahrwerk ausgefahren und verriegelt“. Den Endanflug fliege ich etwas schneller als normal, weil es im Lee des Osthanges wieder turbulent wird. Dann muss ich mich voll auf die ungewohnte Landung hangaufwärts konzentrieren. Man sieht keinen Horizont und darf nicht zu hoch abfangen. Aber es geht alles gut, der Discus rollt noch ein Stück den Hügel hinauf und bleibt dann praktisch querab vom Start stehen. Der linke Flügel legt sich ins Gras, Haube auf, durchschnaufen.…  Ich habe schon lange nicht mehr einen so schnellen Endanflug geflogen.

Der nächste Pilot holt mich mit einem Elektro-Caddy ab, fragt nach der Thermik und freut sich, dass die Akkus noch fast voll sind. Harald freut sich, dass ich so schnell wieder zurückkam und meint: „Herbert ich muss ja gar nicht fragen, ob du einen schönen Flug hattest, dein Lachen sagt ja alles!“ Ja, es war wirklich ein schöner Flug, nur 180 km zwar, aber voller Erlebnisse und neuer Eindrücke. Wenn alles gut geht, sieht mich die Wasserkuppe im kommenden Jahr wieder.

Daumendrücken und freuen wir uns auf eine schöne Flugsaison 2021

- Herbert Leykauf -

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